Hindenburgstraße nicht umbenennen

Im Ausschuss für Stadtentwicklung, Klima und Mobilität wurde über den Antrag von Bündnis90/Die Grünen beraten, die Hindenburgstraße umzubennen. Die Gruppe CDU/FDP hat sich gegen diesen Antrag ausgesprochen. Als FDP begründen wir das wie folgt:
Nach der Umbenennung einer Straße haben alle Anwohner ihre Ausweise und Fahrzeugpapiere zu ändern, Firmen ihren Handelsregistereintrag anzupassen, sowie Briefpapier, Stempel, Visitenkarten und weitere Ausrüstung auszuwechseln. Im Anschluss folgt häufig genug eine für die Betroffenen anstrengende Zeit der nicht zugestellten Pakete, verlorengegangener Briefe und ratloser Navigationsgeräte. Anlieger ist zudem die „Grundschule an der Hindenburgstraße“. Diese soll ihren Namen auch weiterhin durch die Gremien der Schulleitung selbstständig festlegen dürfen.
Allerdings begrüßen wir ausdrücklich den Wunsch der Fraktion B90 / Die Grünen sich mit der Geschichte der Weimarer Republik und einem ihrer Reichspräsidenten auseinanderzusetzen. Die Feststellung, ein Sachverhalt sei „in der heutigen Forschung unumstritten“ ist jedoch zurückzuweisen. Derartige Allgemeinposten unterdrücken jede ergebnisoffene Diskussion, und finden im seriösen Wissenschaftsbetrieb nicht statt. Die Geschichte ist voll von Beispielen, in der neue Erkenntnisse aufgrund eines genau auf diese Art verschlossenen Weltbildes unterdrückt wurden.
Von Hindenburg war zweifelsfrei eine kontroverse Figur der Weimarer Republik. Er war und blieb bis zu seinem Tod überzeugter Monarchist. Nach seiner Wahl zum Reichspräsidenten 1925 schwor er jedoch einen Eid auf die republikanische Verfassung und hielt sich entgegen seiner persönlichen Überzeugungen an diesen. Er wirkte in einer Zeit, in der Koalitionen an aus heutiger Sicht banalen Fragen wie der Höhe der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zerbrachen. Bei der Reichspräsidentenwahl 1932 trat er gegen Hitler an, und sammelte das gesamte republikanische Lager einschließlich der SPD hinter sich. Er bleibt damit bis heute das einzige direkt vom Volk gewählte Staatsoberhaupt der deutschen Geschichte.
Abschließend ist noch ein genereller Gedanke zum Thema Erinnerung anzuführen. Erinnerung ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen um die Zukunft zu gestalten. Hierzu eignen sich ausdrücklich auch kontroverse Charaktere. Geschichte ändert sich nicht dadurch, dass man die Erinnerung an sie einschränkt – stattdessen sollte es zum intellektuellen Repertoire eines jeden mündigen Bürgers gehören historische Persönlichkeiten im Kontext ihrer Zeit zu sehen, Brüche in ihren Lebensläufen zu interpretieren und Ableitungen für die eigenen Entscheidungen zu treffen.
Aus den genannten Gründen werden wir bis auf weiteres keiner Umbenennung der Hindenburgstraße zustimmen.